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Gemeinschaftsschule auf dem Campus Rütli

Diversität und gesellschaftswissenschaftliches Lernen in der Sekundarstufe

Autor*in: Lennart Lüpke / 18.12.2020

Das gesellschaftswissenschaftliche Lernen an der Gemeinschaftsschule auf dem Campus Rütli, deren Schüler*innen so multikulturell und divers sind wie der Bezirk, in dem sie leben, umfasst in besonderer Weise die Themen Demokratiebildung, Akzeptanz von Vielfalt (Diversität) und Diskriminierungsprävention.

Der Kompetenzerwerb im Bereich gesellschaftswissenschaftlichen Lernens zielt darauf ab, die Lernenden zu mündigen Bürgern*innen in einer offenen, kulturell vielfältigen Gesellschaft heranzubilden. Dabei sollen sie eigene Prägungen, Standpunkte und Bedürfnisse artikulieren, die Standpunkte anderer anerkennen und hinterfragen.

Einige gesellschaftswissenschaftliche Lernangebote der Gemeinschaftsschule auf dem Campus Rütli im Kontext von Diversität und Heterogenität werden an dieser Stelle genannt:

    1. Ein wichtiger Teilbereich des gesellschaftswissenschaftlichen Unterrichts ist die Demokratiebildung.
      Dabei geht es um Respekt und Teilhabe, um Meinungs- und Religionsfreiheit. Im projektorientierten Unterricht in der Sekundarstufe lernen die Schüler*innen beispielsweise die Grundmerkmale der bundesdeutschen Demokratie kennen und beleuchten in eigenen Podcasts Grundrechtskonflikte und schwierige Abwägungsprozesse in der Coronakrise.
      In der Oberstufe können die Schüler*innen im Grundkurs „Glauben und Zweifeln“ anknüpfend an ihre Lebensrealitäten Fragen stellen und eigene Antworten im Kontext einer demokratischen, pluralen und diversen Gesellschaft suchen. Kolleg*innen tragen die damit verbundenen Erfahrungen und Perspektiven in die Öffentlichkeit und machen sie für Pädagog*innen anderer Schulen zugänglich.

    2. Diversität bedeutet auch Heterogenität in den Lernvoraussetzungen. Im Fachbereich Gesellschaftswissenschaften werden Lernetappen eingesetzt, die zur Profilierung des kompetenzorientierten und individualisierten Lernens an unserer Schule beitragen. Differenzierter und individualisierter Unterricht ist ein Baustein für einen diskriminierungsfreien Zugang zur politischen Bildung für Kinder und Jugendliche aller Herkunftsgruppen. Schließlich sollen alle Schüler*innen in die Lage versetzt werden, das politische Geschehen kompetent analysieren und beurteilen zu können.

    3. Multiperspektivität, interkulturelles Lernen und Kontroversität sind wichtige Prinzipien des gesellschaftswissenschaftlichen Unterrichts. Für die Schüler*innen werden sie vor allem in der Behandlung strittiger Themen oder interreligiöser Konflikte erfahr- und erlernbar.

      So gibt es an unserer Schule vielfältige Lernangebote zum israelisch-palästinensischen Konflikt. Dazu zählen ein Projektkurs „Naher Osten“ als WPU-Angebot in den Jahrgangsstufen 9 und 10 oder Fahrten von Schüler*innengruppen nach Israel/Palästina.

      4. Für die gelingende Diskriminierungsprävention in der Gemeinschaftsschule auf dem Campus Rütli ist die Zusammenarbeit mit externen Projektträgern sehr wichtig. Das Präventionscurriculum der Schule weist regelmäßig wiederkehrende Angebote aus, zum Beispiel Workshops von meet2respect, in denen interreligiöse Toleranz vermittelt wird, oder Heroes – gegen Unterdrückung im Namen der Ehre, in denen es um die Gleichberechtigung der Geschlechter geht.

      5. Zur Diskriminierungs- und Rassismusprävention gehört auch, dass wir mit unseren Schülern*innen allen Opfern von gewaltbereiten Menschenfeinden, von rechtsextremer oder islamistischer Hassgewalt gedenken: den Opfern der Anschläge von Christchurch, von Halle/Saale, von Hanau oder dem ermordeten französischen Lehrer Samuel Paty.

      6. Bei der Behandlung des Nationalsozialismus steht das historisch einmalige Menschheitsverbrechen der Shoa im Zentrum. Lerngruppen besuchen Erinnerungsorte und Gedenkstätten. Schüler*innen lesen in Sprachbildungsstunden Anne Franks Tagebuch oder die Graphic Novel „Der Boxer“. Sie beschäftigen sich im Unterricht mit der Widerstandstätigkeit des ehemaligen Rütli-Schülers Hanno Günther und der „Rütli-Gruppe“, der Rettung einer jüdischer Familie durch den arabischen Arzt Mohamed (Mod) Helmy oder der Flucht der Neuköllner Ärztin Käte Frankenthal, die als Jüdin, Intellektuelle und Sozialistin eine vielfältige Identität lebte.

      7. Die Schüler*innen werden angeregt, sich in einem vielfältigen Europa und in der Welt zu orientieren. Mit Hilfe einer Online-Rallye erwerben sie zum Beispiel Kompetenzen, die zu einem gelingenden Leben in internationalen Zusammenhängen beitragen können.

Im gesellschaftswissenschaftlichen Unterricht und in Projekten handeln Lernende und Lehrende aus, wie ein gutes Miteinander von Menschen verschiedener sozialer, kultureller und religiöser Herkunft gelingen kann. Das ist umso wichtiger, als mehr Vielfalt auch mehr Konflikte hervorrufen können. Die Lehrkräfte des Fachbereiches machen ihren Standpunkt deutlich und beziehen Position gegen antidemokratische oder menschenfeindliche Haltungen. Dabei wissen sie, dass Antworten auf schwierige Themen nur in einem Umfeld gefunden werden können, in dem Vertrauen herrscht.

Muslimische Schüler*innen aus dem demokratischen Diskurs auszugrenzen, wie es in jüngsten Presseveröffentlichungen im Nachgang zum Mord an Samuel Paty geschehen ist, behindert den Erkenntnisprozess. Unsere pädagogischen Bemühungen zielen darauf, die Vereinbarkeit von Islam und Demokratie auf dem Boden des Grundgesetzes zu thematisieren. Inter- und intrakulturelle Zugänge im gesellschaftswissenschaftlichen Unterricht fördern die Mehrfachzugehörigkeit zur deutschen Migrationsgesellschaft und anderen Kulturen bzw.  Religionen im Sinne vielfältiger Identitäten.

Im gesellschaftswissenschaftlichen Unterricht, in Projekten und im Rahmen unserer demokratischen Schulkultur geht es darum, den Wert inter- und transkultureller Werte wie Demokratie, Menschenwürde und Toleranz in der eigenen Lebenswelt erfahrbar zu machen. Dabei steht auch in der Arbeit des Fachbereichs Gesellschaftswissenschaften das Leitbild unserer Schule: „Kein Kind darf zurückbleiben“ im Mittelpunkt. Wir strengen uns an, dieses Leitbild in unserer täglichen pädagogischen Arbeit mit Leben zu füllen.

Lennart Lüpke
Fachleiter Gesellschaftswissenschaften